Reiserichtlinien sieht Inge Pirner, Travel Managerin bei Datev, eher als Leitplanken denn als detaillierte Vorgaben: "Wir wollen unseren Reisenden nicht gängeln." Zwar muss er Regelungen zum Beispiel hinsichtlich der Klassenwahl akzeptieren. Welches Reisemittel er am Ende jedoch nutzt, entscheidet er allein, allerdings unter Einhaltung der Reiserichtlinie.
Diese erfordert – auch schon vor Corona – eine vorherige sorgfältige Prüfung der Notwendigkeit und der Gestaltung der Dienstreise, insbesondere unter wirtschaftlichen aber auch ökologischen Aspekten und mit dem Ziel, Dienstreisen nach Möglichkeit auf das notwendige Minimum zu reduzieren. Auch den Einsatz digitaler Möglichkeiten wie Videokonferenzen müssen die Mitarbeiter bei dem IT-Dienstleister für Steuerberater, Anwälte, Wirtschaftsprüfer und deren Mandaten in Erwägung zu ziehen.
Für innerdeutsche und innereuropäische Flüge schreibt Datev die Economy Class vor, für Hotels gibt es ein – allerdings großzügiges – Preislimit. Bucht ein Beschäftigter an den Richtlinien vorbei, wird er vom System aufgefordert, die Gründe hierfür zu nennen: "Über 95 Prozent davon sind nachvollziehbar", sagt Pirner.
Überblick über alle Dienstreisen
Den Überblick über sämtliche Reisen und Ausgaben hat sie schon deshalb, weil alle Daten automatisch in eine Cloud fließen. Manuell eingreifen muss niemand mehr, und selbst die Reisekostenabrechnung läuft weitgehend automatisiert.
Diesen Überblick selbst in der Hand zu haben hat sich in der Pandemie-Zeit nun als ganz besonders wertvoll erwiesen. Eigentlich für das Travel-Risk-Management gedachte Funktionen der Onesto-Software hätten es ermöglicht, Buchungen schnell und einfach zu ermitteln und Reisende aktuell zu informieren oder Stornierungen vorzunehmen.
"Wie wir das mit Daten im GDS des Reisebüros hinbekommen hätten, nachdem dort mit 100 Prozent Kurzarbeit pandemiebedingt von heute auf morgen keiner mehr da war, darüber will ich gar nicht nachdenken", sagt Inge Pirner. "Die Digitalisierung hat sich hier für uns mehr als vorteilhaft erwiesen. So hatten und haben wir alles selbst im Griff."
Am Anfang half das Reisebüro
Doch auch wenn Datev seine Buchungssoftware (OBE) inzwischen selbstständig betreibt – am Anfang ging es nicht ohne das Reisebüro. „Wer plant, seinen Buchungsprozess elektronisch umzustellen oder ein End-to-End-System zu etablieren, dem empfehle ich, dieses Projekt gemeinsam mit dem Reisebüro anzugehen“, sagt Inge Pirner, Travel Managerin des Nürnberger Unternehmens.
Denn bei der sogenannten Reseller-Lösung, bei der die Firma die OBE lediglich nutzt und pro Buchung eine Transaction Fee an den Agenturpartner bezahlt, "lassen sich Probleme einfacher erkennen und beheben, als wenn man von Anfang an selbst in der Verantwortung steht". Funktioniert erst einmal alles, hält Pirner Letzteres allerdings für besser: "Ob A1, Bettensteuer, CO2-Fußabdruck oder aktuelle Reisehinweise – derartige Erweiterungen lassen sich dann ohne den Umweg über das Reisebüro umsetzen."
Diesen Schritt ist Datev vor knapp drei Jahren gegangenen: Das 8000-Mitarbeiter-Unternehmen hat einen Direktvertrag mit dem OBE-Anbieter Onesto geschlossen und dabei einen rein digitalen Geschäftsreiseprozess etabliert. Buchungen – Flug, Bahn, Hotel, Mietwagen und Taxi – nehmen die Beschäftigten selbst via Online-Buchungssoftware vor, die Datev zusätzlich als mobile Anwendung anbietet.
Bis 2013 gab es bei Datev kein Travel Management - lediglich die Verträge mit Leistungsträgern und Dienstleistern wurden im Zentraleinkauf abgewickelt. "Es wurde zunehmend deutlich, dass es bei Geschäftsreisen um weit mehr geht als nur um Verträge", sagt Inge Pirner. Seit gut sieben Jahren fungiert die Fränkin nun als "Fachberaterin Travel Management" bei dem Unternehmen. Und ihr Fokus liegt heute mehr denn je auf der Steuerung von Prozessen.
Travel Management als Querschnittsfunktion
"Auf eine reine Einkaufsposition lässt sich das Travel Management schon lange nicht mehr reduzieren", sagt sie: "Vielmehr handelt es sich um eine typische Querschnittsaufgabe, die sich durch fast alle Abteilungen des Unternehmens zieht." Sie selbst kümmert sich darum, dass die Prozesse so gestaltet sind, dass sie den Kollegen das Reisen so einfach wie möglich machen. "Für die Mitarbeiter ist es wichtig, dass sie mit möglichst nur drei Klicks eine Geschäftsreise buchen können", sagt sie.
Genehmigungsverfahren hat der Nürnberger Software-Spezialist abgeschafft. "Wenn etwas aus dem Ruder läuft, sehen wir das bei der Abweichungsanalyse, vor Reiseantritt", sagt sie. Dann spreche sie mit dem Reisenden, sagt die Travel Managerin: "Meist klärt sich alles. Bei uns werden Sie eben geholfen", zitiert sie den einst berühmten Werbespruch einer Telefonauskunft.
"In Vorleistung treten müssen die Reisenden kaum noch, da wir fast alle Leistungen zentral bezahlen", sagt Inge Pirner. "Bei der Reisekostenabrechnung haken sie dann nur noch ab, was sie tatsächlich genutzt haben."
Auch die mobile Buchung erlaubt Inge Pirner ihren Kollegen – per App. Die Synchronisation mit dem Tool erfolgt automatisch. Von den insgesamt 5000 Nutzern des Onesto-Tools bei Datev haben sich bereits 1400 für die mobile Anwendung angemeldet.
85 Prozent der Reisen innerdeutsch
"Vor allem die Vielreisenden schätzen diese Möglichkeit", sagt Inge Pirner. Ihre Zahl liegt bei knapp 1000; gut 85 Prozent aller Reisen finden innerdeutsch statt. Über die App kommen zudem wichtige Warnhinweise – etwa, wenn wegen eines Streiks möglicherweise Verbindungen ausfallen. Geplant ist überdies, den Preis- und Reisedauer-Vergleich in der OBE um eine CO2-Anzeige zu ergänzen.
Was die Travel Managerin – zugleich Vize-Präsidentin des VDR – als "ganzheitlichen Prozess" und "runde Sache" bezeichnet, ist für die Reisebüros weniger erfreulich. Unternehmen wie Datev benötigen nur noch ein Minimum an klassischen Vermittlerleistungen. Bei Buchungen etwa wird der Reisebüro-Partner nur noch bei Fernflügen aktiv – deutsche und europäische Strecken laufen an ihm komplett vorbei. Zudem tritt er bei IT-Störungen auf den Plan: Wenn zum Beispiel die elektronischen Schnittstellen zur Bahn nicht funktionieren, sorgt er für die Fahrkarte.
Sämtliche Auswertungen nimmt die Travel Managerin über die OBE vor – ebenso dient sie ihr als Datenquelle für Notfälle wie Terror oder Unfälle: "Schon daher ist es wichtig, dass alle Mitarbeiter alles dort buchen und das hat sich jetzt auch in der Pandemie gezeigt", sagt sie. Mit der Nutzungsquote jedenfalls kann sie zufrieden sein: Diese beträgt 98 Prozent.
Quelle: Oliver Graue, BizTravel