Ausgangslage: Gemeinsamer Druck bei veränderten Rahmenbedingungen
Wirtschaftliche Unsicherheiten, steigende Preise, ein verändertes Reiseverhalten und der anhaltende Fachkräftemangel stellen sowohl die Hotellerie als auch Geschäftsreiseverantwortliche in Unternehmen vor große Herausforderungen. In den letzten Wochen hat der VDR in verschiedenen Formaten auf der VDR-Tagung und im VDR-Fachausschuss Hotel und MICE VertreterInnen aus Unternehmen, Hotellerie und Travel Management Companies zusammengebracht – mit dem klaren Ziel, tragfähige Lösungsansätze für eine belastbare Zusammenarbeit zu entwickeln.
Verändertes Reiseverhalten und steigende Komplexität
Die Branche sieht sich mit steigenden Reisekosten konfrontiert. Laut der aktuellen VDR-Geschäftsreiseanalyse 2025 stiegen die Geschäftsreisekosten im Vergleich zum Vorjahr um 2 % auf 47,2 Milliarden Euro, obwohl 8 % weniger Geschäftsreisen stattgefunden haben. Seit der Pandemie sind die Ausgaben um rund 40 % gestiegen, was insbesondere auf stark erhöhte Flugkosten zurückzuführen ist. Parallel leidet die Hotellerie unter einem signifikanten Personalmangel: Seit 2020 fehlen rund 20 % der Mitarbeitenden und Auszubildenden. Hinzu kommen Streiks, Verspätungen im Bahnverkehr und Unsicherheiten bei internationalen Reisen, die die Planbarkeit weiter erschweren.
Auf Unternehmensseite wird daher verstärkt gespart: Viele Firmen haben ihre Event- und Reisebudgets reduziert, Veranstaltungen werden seltener, kürzer oder mit geringeren Leistungen geplant. Das spiegelt sich auch in den Geschäftszahlen wider. Laut aktuellen Marktdaten planen 24 % der Unternehmen für 2025 weniger Events, mehr als zwei Drittel geben an, dass sich die wirtschaftliche Lage negativ auf ihre Budgets auswirkt.
Diese Entwicklung lässt sich nicht allein durch Preissteigerungen erklären, sondern steht auch für ein verändertes Reiseverhalten. Unternehmen setzen nämlich zunehmend auf eine gezielte Planung: Termine werden gebündelt und Tagesreisen finden kaum noch statt.
Kritisches Dauerthema: Ratenladung
Inmitten all dieser Entwicklungen stellen Travel Manager zunehmend fest, dass verhandelte Raten nur unzureichend in den Systemen hinterlegt sind. Fehler treten auf bei:
- falschen oder fehlenden Frühstücks- und Stornierungsangaben,
- falscher Abbildung von Ratenmodellen (z. B. LRA vs. Non-LRA),
- oder nicht fristgerechter Ladezeiten trotz vertraglich geregelter Fristen.
Im Frühjahr 2025 lag die korrekte Ratenladung bei Unternehmen teilweise noch unter 80 %, obwohl die Rate-Audits zu diesem Zeitpunkt längst hätten abgeschlossen sein sollen.
Besonders problematisch ist, dass viele Travel Manager die Lücken erst bemerken, wenn Reisende ausweichen und das Travel Management unter Zugzwang gerät. Dies sorgt für Ärger auf Unternehmensseite.
Hintergründe und strukturelle Ursachen
Die Ursachen sind vielseitig:
- Der Fachkräftemangel sowie das Outsourcing von Servicefunktionen auf Hotelseite erschweren die korrekte Ratenpflege in komplexen Systemlandschaften.
- Späte Vertragsabschlüsse (Ende Q4) führen zu Zeitdruck beim Laden und Prüfen.
- Fehlende Audits und mangelnde Transparenz lassen viele Probleme unentdeckt.
- In manchen Regionen (z.B. Osteuropa, Indien) wird das Thema zusätzlich durch lokale Einzelverträge, die am Globalen Travel Management vorbeigehen, verschärft.
Risiken fehlerhafter Ratenladung
Für Travel Manager bedeuten fehlerhafte Ratenladungen schlichtweg einen Steuerungsverlust. Out-of-Policy-Buchungen der Reisenden nehmen zu, wodurch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (z. B. Reisenden-Tracking) gefährdet wird. Es entstehen somit zunehmend Compliance-Risiken durch die Umgehung zentraler Buchungssysteme. Vertragliche Vereinbarungen werden unterlaufen und das Vertrauen leidet.
Herausforderungen bei kleinen Hotelprogrammen
Unternehmen mit kleineren Hotelprogrammen und regionalem Übernachtungsbedarf sehen sich oft besonderen Hürden gegenüber. Viele Häuser liegen außerhalb der großen Metropolen, sodass die Auswahl begrenzt ist und eine Steuerung auf andere Anbieter oft nicht möglich ist. Die Zusammenarbeit wird zusätzlich durch wechselnde Ansprechpartner, fehlende zentrale Zuständigkeiten und unklare Kommunikationswege in den einzelnen Häusern erschwert.
In der Praxis bedeutet das: Operative Themen, Ratenverhandlungen und Tagungsanfragen laufen über verschiedene Personen, wodurch die Prozesse ineffizient und unübersichtlich werden. Gerade hier wäre ein ganzheitlicher, integrierter Ansatz mit einem festen Ansprechpartner für alle Leistungen rund um Übernachtung, Meetings und Ratenverwaltung gefragt. Denn Travel Manager mit kleineren Hotelprogrammen müssen auch alle anderen Reiseleistungen und -prozesse allein organisieren und steuern und haben keine Zeit, sich durch unklare Zuständigkeiten zu wühlen.
Kommunikation und Vertrauen als Schlüssel
Die Kommunikation zwischen Hotellerie, Unternehmen und Dienstleistern ist nicht nur im Fall kleinerer Travelprogramme ein durchgängiger Schmerzpunkt. Fehlende Ansprechpartner, unstrukturierte Rückmeldungen und wenig Verbindlichkeit erschweren eine nachhaltige Zusammenarbeit. Gerade in Zeiten hoher Komplexität und schwankender Verfügbarkeiten ist ein verlässlicher Informationsaustausch jedoch entscheidend.
Aus Sicht der Unternehmen wünscht man sich mehr Transparenz, proaktive Kommunikation und ein stärkeres Verständnis für die internen Abläufe und Anforderungen. Auf der anderen Seite steht die Hotellerie unter Druck, mit knappen Ressourcen und steigenden Anforderungen Schritt zu halten. Hier ist die Hotellerie selbst gefragt, ihre Prozesse zu vereinfachen und ihre technischen sowie organisatorischen Standards zu verbessern.
Konkrete Lösungsansätze sind gefragt
Der Dialog ist angestoßen und konkrete Lösungsansätze liegen auf dem Tisch:
- Frühzeitigere Ratenverhandlungen, idealerweise Abschluss Ende Q3/Anfang Q4, um ausreichend Zeit für saubere Ratenladungen und Audits zu schaffen.
- Verhandlungsrunden begrenzen, eine klare und ehrliche Kommunikation zu Preisgrenzen (Rate Caps) von Anfang an verhindert unnötige, zähe Preisverhandlungen mit mehrfachen „letzten Angeboten“. So lassen sich Zeit und Ressourcen auf beiden Seiten sparen.
- Engmaschige Rate Audits mit klar dokumentierten Fehlern, um wiederholte Mängel gezielt anzugehen.
- Sanktionen bei schlechter Performance, z. B. die Sperrung von Hotels mit dauerhaft fehlerhafter Ratenladung. Wobei hier die Gefahr besteht, dass Reisende ihr „Stammhotel“ außerhalb der vorgegebenen Buchungswege dennoch buchen.
- Total Account Management: ein zentraler Ansprechpartner pro Hotel für alle Leistungen.
- Expertise stärken auf Hotelseite, zur korrekten Ratenladung. Auch das Key Account muss aussagefähig sein.
- Mehr persönliche Kontakte und kontinuierlicher Austausch 1-2-mal pro Jahr – auch außerhalb von Eskalationsfällen.
- Vereinfachung des RfP-Prozesses auf das Wesentliche – weniger Fragen, dafür relevantere Inhalte.
- Fokus auf verlässliche Partnerschaften, besonders bei individuellen Lösungen und langfristiger Zusammenarbeit.
- Sensibilisierung der Hotelpartner durch gezielte Schulung und Austauschformate wie beim VDR.
Fazit: Gemeinsam statt gegeneinander
Die Herausforderungen in der Geschäftsreisehotellerie sind real und vielfältig, aber lösbar. Benötigt werden mehr Kooperation, bessere Prozesse und ein respektvoller Dialog auf Augenhöhe. Anstelle von kurzfristiger Preisoptimierung sollten langfristige Partnerschaften und gegenseitiges Verständnis im Mittelpunkt stehen. Nur so kann die Hotellerie auch in Zeiten knapper Ressourcen ein verlässlicher und wertvoller Partner für Geschäftsreisen bleiben.