Hält die große Koalition aus CDU/CSU und SPD bis zum Ende der Legislaturperiode im September 2021? Das ist die derzeit in Berlin am häufigsten und am intensivsten diskutierte Frage. Auch wenn eine verlässliche Antwort naturgemäß nicht möglich ist, halte ich einen Bruch der Koalition für deutlich wahrscheinlicher als ein Weiterbestehen.
Die Gründe sind vielfältig. Erstens entwickeln sich die Koalitionsparteien programmatisch derzeit in unterschiedliche Richtungen und damit auseinander. Während die SPD gemäß Vorstandsbeschluss einen deutlichen Linkskurs fährt, versucht die CDU Führung unter Annegret Kramp-Karrenbauer eine Rückbesinnung auf konservative Kernelemente der CDU, nicht zuletzt, um das sogenannte Merz-Lager einzubinden. Damit geht sie automatisch auf die CSU zu, entschärft also den Konflikt innerhalb der Parteienfamilie. Schafft schon die unterschiedliche Programmatik Sollbruchstellen, kommt zweitens die Uneinigkeit der Minister der Koalition hinzu, die derzeit wenig für Harmonie und viel für Konflikt sorgen. Beispiele sind das Klimaschutzgesetz von Umweltministerin Svenja Schulze, das primär CDU geführte Ministerien belastet und die Vorlage eines Diskussionsentwurfes zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung durch Finanzminister Olaf Scholz, das in die Kompetenzen von Wirtschaftsminister Altmaier und Forschungsministerin Karliczek fällt. Drittens scheint die Bundeskanzlerin entweder nicht mehr den Willen oder die Kraft zu haben, steuernd einzugreifen, wie es die ihr zustehende Richtlinienkompetenz ermöglichen würde. Die Konflikte werden sich viertens bis zum Jahresende deutlich verschärfen, wenn es darum geht, den Haushalt für das Jahr 2020 zu verabschieden. Streitigkeiten sind hierzu unvermeidlich, da nicht mehr, wie in den letzten Jahren, Haushaltsüberschüsse vorhanden sind, die zur Konfliktschlichtung verwendet werden könnten. Fünftens bergen die kommenden Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai und zu den Landtagen in Bremen, Thüringen, Brandenburg und Sachsen erhebliche Risiken für die Stabilität der Koalition und sechstens sieht der Koalitionsvertrag ausdrücklich eine kritische Evaluation zur Halbzeit der Legislaturperiode vor, also zum Jahresende 2019. Siebtens und noch nicht letztens, wird die CDU alles versuchen, Frau Kramp-Karrenbauer vor Ablauf der Legislaturperiode zur Bundeskanzlerin zu machen, damit sie in den Wahlkampf zur nächsten Bundestagswahl mit einem Amtsbonus gehen kann.
Für den VDR bedeuten die beschriebenen Szenarien die Notwendigkeit, sich auf unterschiedliche Konstellationen frühzeitig einzustellen. Dies erzwingt zunächst den Aufbau von belastbaren Netzwerken in allen Fraktionen, damit persönliche Kontakte bestehen, wer auch immer die nächste Bundesregierung bilden wird. Zudem gilt es noch in diesem Jahr, also bald nach der Neuwahl des Präsidiums, strategische Weichen zu stellen und politische Positionen zu erarbeiten, mit denen die Parteien im Wahlkampf konfrontiert werden können. Es wäre im Interesse des Verbandes und seiner Mitglieder, wenn das jetzige Präsidium dafür die Grundlagen schaffen würde.
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